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Faszination Reife beim Wein

Lebendiges Mysterium

Für den Weinliebhaber gehört das Thema Genussreife zu den geheimnisvollsten Aspekten bei der Beschäftigung
mit dem Rebensaft. Bei der Frage, wie lange ein Wein
lagern kann und wann er getrunken werden sollte, ist
man auch im Zeitalter der Wissenschaften auf die eigene Erfahrung im täglichen Umgang mit den gereiften Gewächsen angewiesen. Einige Grundregeln geben allerdings dem Einsteiger eine Orientierungshilfe





Er atmet und bewegt sich, er ist launisch und empfindlich, er kann krank werden, in die Jahre kommen, um schließlich, nachdem er in Würde gealtert ist und den Zenit seiner Lebensbahn erreicht hat, seine eigentliche Bestimmung zu finden ... – Dass man auch bei einem Wein von einer »Lebenskurve« spricht, verleiht ihm geradezu menschliche Attribute. Und bei den besten Gewächsen ist es gerade das Alter, das in ihnen Stärke und Charakter wachsen lassen. Um das Geheimnis der optimalen Reife eines Weines ranken sich unzählige Theorien und Mythen. Wahrscheinlich gehört das Thema zu den faszinierendsten Rätseln überhaupt für den Weinliebhaber und selbst die Forschung, die sich mit dem Alterungspotenzial vergorenen Traubenmostes eingehend befasst hat, ist diesem Mysterium nur sehr vage auf der Spur. Aussagen über die optimale Trinkreife eines Weines – wenn sich so etwas überhaupt generell formulieren lässt – gehören immer noch in den Bereich der Prognose, die sich nicht in jedem Fall exakt definierbarer Fakten verdankt, sondern vielmehr auf Erfahrungswerten beruht. Überraschungen sind dabei gewiss keine Seltenheit und man benötigt schon eine ungefähre Vorstellung der Faktoren, die im engeren Zusammenhang mit dem Wachstum der Reben, der Weinbereitung und -lagerung stehen, um über das Reifepotenzial eines Weines vinologische Vorhersagen treffen zu können. Noch schwieriger dürfte dies angesichts der »Fortschritte« im modernen Weinbau sein, lassen doch die unübersehbaren chemischen und physikalischen Manipulationsmöglichkeiten nur noch bedingt solche Aussagen zu, die auf in ihrer Grundstruktur veränderten Weine zutreffen. Gereifte Weine sind zudem nicht unbedingt en vogue, wenn man sich – keineswegs despektierlich – die breite Masse der am Markt angebotenen Gewächse betrachtet, und das Verständnis für die meisten dieser nicht etwa vergreisten, sondern zur vollen Blüte erwachten Tropfen gilt als Insiderwissen, das so manchem Wein-Eleven einiges Kopfzerbrechen bereitet. Viele Weinliebhaber, die eine Bouteille nach jahrelangem Reifeschlummer öffnen und probieren, werden mitunter von bizarren Geschmacksnuancen überrascht und sehnen sich nach jugendlicher Frische zurück. – Nicht jeder Wein gewinnt, wenn er altert und bei manchem Tropfen, der zehn oder 20 Jahre auf dem Buckel hat, wäre es besser gewesen, man hätte ihn bereits nach fünf Jahren getrunken, getreu nach dem Motto: »Es ist ein Irrtum, anzunehmen, dass ein lange haltbarer Wein erst dann getrunken werden sollte, wenn seine Lebenszeit abgelaufen ist«. (Cyrus Reding) – Das klingt nach Geheimwissenschaft und der angehende Weinliebhaber sucht bei der Gretchen-Frage nach der optimalen Genussreife eines Weines händeringend nach Erklärungshilfen.

 

Was passiert beim Reifungsprozess?

Wein atmet, zum Leben benötigt er Sauerstoff. Dies gilt erst recht für seine Schlummerexistenz in der Flasche, die von den Experten als »Feinoxidation« bezeichnet wird, bei der flüchtige Elemente oder Holzaromen mit zunehmendem Alter abnehmen. Die bei der Flaschenreife ablaufenden Prozesse liegen auch für die Forschung in weiten Teilen im wahrsten Sinne des Wortes noch im Dunkeln. Sicher ist, dass die Lagertemperatur die Oxidation und andere chemischen Prozesse beschleunigt, wobei sich die Reaktionsgeschwindigkeit verdoppelt, wenn die Temperatur um zehn Grad Celsius ansteigt. Diese ist im wesentlichen auch für den Verlauf der Lebenskurve eines Weines ausschlaggebend: Je gemächlicher es hier zugeht, desto länger erhält sich auch ein edler Tropfen. Wein enthält etwa 82 bis 90 Prozent Wasser, acht bis 12 Gewichtsprozent Alkohol und einige Prozent Zucker. Die geschmacksbestimmenden Elemente wie Säure und Extrakt machen nur etwa anderthalb bis drei Prozent aus – sie sorgen aber für die entscheidende »Bewegung« während des Reifeprozesses. Dabei verändert sich die Zusammensetzung der chemischen Bestandteile eines Weines: Jene geringen Mengen Sauerstoff, die ungelöst im jungen Wein enthalten sind, reagieren mit den Tanninen, Anthocyanen (Farb-Pigmente), den Säuren und dem Alkohol und lösen Prozesse der so genannten Polymerisation aus, die bei Rotweinen deutlich sichtbar als Sediment am Flaschenboden ausfallen. Säuren und Gerbstoffe (Tannine) werden allmählich abgebaut und die Aromen bilden eine komplexe Struktur aus (durch Veresterung des Ethylazetats – dies nur für die Chemiker unter den Weinfreunden!). Durch das Zusammenwirken von Sauerstoff, Säuren und Alkohol erfolgt eine Anreicherung mit Ester (etwa 100 Arten), wohlriechende, geschmacksintensive Verbindungen mit süßfruchtigem Aroma – wie sie auch für die Herstellung von Parfüms und Fruchtessenzen verwendet werden. Die Ester entschärfen die Säuren, wodurch der Wein milder wird.

Weißweine entwickeln sich in der Regel schneller als die meisten roten Gewächse und sind im Vergleich mit wenigen Ausnahmen auch kurzlebiger. Allgemein ist die Lebenserwartung extraktreicher, gerbstoffhaltiger Weine relativ hoch. Man weiß sogar recht sicher, welche Tropfen alterungsfähig, ja -bedürftig sind, wie lange man sie allerdings aufbewahren kann, lehrt nur der Umgang mit Weinen und ein systematisches Zusammentragen von Erfahrungen etwa mittels Degustationsnotizen oder schon professioneller mit einem Kellerbuch.
 
 

Chamäleon in der Flasche: Die Farben des Weins

Einiges über den Reifezustand eines Weines lässt sich oft schon erfahren, ohne eine der kostbaren Bouteillen aus dem eigenen Weinkeller zu öffnen. Hält man etwa den Flaschenhals vor eine kräftige Lichtquelle, bekommt man durch das Glas hindurch schon einen ziemlich guten Eindruck von der Tiefe und Qualität der Färbung eines Weines. Diese Prozedur scheitert selbstredend an so manchen modisch eingefärbten Glasflaschen. Aber diese sind ja bislang fast ausschließlich mit solchen Tropfen gefüllt, die bloß eine kurze Halbwertzeit haben und für den schnellen Verzehr bestimmt sind. – Auch bei den Trinkgläsern sollte übrigens darauf geachtet werden, dass sie nicht gefärbt sind und einen klaren, prüfenden Blick auf ihren Inhalt zulassen!

ros dsc_0099.bearb.colorAuch das Aussehen eines Weines, und hier ganz entscheidend die Intensität seiner Farbe verrät also schon etwas über seinen Alterszustand. Bei Weißweinen könnte man vereinfachend sagen: Je tiefer die Farbe, je dunkler ein Wein sich präsentiert, desto älter ist er. Im Glas geben sich jugendliche Weißweine fast farblos oder hellgelb mit grünen Reflexen wie etwa bei einem Mosel-Riesling oder Chablis; mit zunehmendem Alter intensiviert sich der Farbeindruck zu einem leuchtenden Goldgelb und sollten sich bereits Anflüge von bräunlichen Tönen zeigen, dann ist dies in der Regel ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Wein bereits seinen Zenit überschritten haben könnte und mehr oder weniger stark oxidiert oder maderisiert ist. Weißweine aus kühleren Gegenden zeigen meist hellere, zartere Farbtöne als solche aus südlichen Gefilden, die sich wie etwa bei einem australischen Chardonnay mit einem satten Sonnengelb in Szene setzen können. Ausnahmen bilden hier die süßen Weine mit Edelfäule, die über eine hohe Konzentration an Geschmacks- und Farbstoffen verfügen, oder solche Gewächse, die im Eichenfass ausgebaut wurden. Weine mit oxidativem Ausbau (Sherry) oder Edelfäule haben generell eine tiefere, dunklere Farbe. Neben dem Alter wirkt sich schließlich auch die Weinbehandlung entscheidend auf das Farbgepräge eines Weines aus: klare, lichte Farbreflexe sind nicht bloß ein Anzeichen von Jugend, sondern verdanken sich etwa einer kühlen Gärtechnik oder einer frühen Abfüllung. So verrät die Farbpalette neben dem Alter auch etwas über die Herkunft eines Weines und gibt dem Experten mitunter einige Anhaltspunkte, die auf eine bestimmte Weinbereitung schließen lassen. Augenfälliger und eindeutiger signalisiert das Farbspektrum bei den roten Gewächsen den Reifezustand. Junge Rotweine tragen ein kräftiges Rot bis Rotviolett zur Schau. Ein Rotwein, der nicht schon nach den ersten ein bis zwei Jahren getrunken werden soll, zeichnet sich in aller Regel durch eine kräftige Farbe aus, die unter anderem im Zusammenhang mit dem für das Reifepotenzial eines Weines wichtigen Tanningehalt (siehe auch: Stichwort Tannin) steht.

Mit zunehmender Flaschenreife nehmen Rotweine einen bräunlichen bis orangefarbenen Ton an. Im Gegensatz zu den weißen Gewächsen klart sich das Antlitz eines solchen Vertreters, der für die Lagerung bestimmt ist, mit den Jahren auf: von einem tiefen Purpurrot über Rubin- und Ziegelrot bis hin zu Rost- und Brauntönen, die sein seliges Ende anzeigen. Wenn schließlich im Glas kein roter Schimmer mehr zu erkennen ist, dürfte der Wein ungenießbar sein. Der am Lebensende eines Weines einsetzende chemische Verfall geht einher mit einem Farbverlust, der ihn blass erscheinen lässt – ein sicheres Indiz für sein aromatisches Ende. Diese Agonie des Weines ist unter anderem an orangefarbenen Schlieren zu erkennen, die sich für den aufmerksamen Beobachter an der Flaschenwand zeigen.
 

Schnuppern und Schmecken: Wandel der Weinaromen

Einmal von der Qualität abgesehen, verändern sich auch die Aromen eines jeden Weines im Laufe seines Lebens. Auch hier gibt es charakteristische Merkmale, die auf seinen Gesundheitszustand und sein Alter verweisen. Rund 800 aromatische Komponenten sind bislang von der Wissenschaft ermittelt worden, die aus der Traube, dem Gärprozess oder aus dem Reifevorgang stammen. Den wichtigsten Anteil haben die sogenannten flüchtigen Substanzen, deren gesamte Menge etwa 0,8 bis 1,2 g/l Wein betragen. Für den Hauptteil des Weinbuketts sind diese Aromastoffe verantwortlich, die bei Weißweinen schon bei acht bis zehn Grad, bei Rotweinen am besten bei einer Temperatur von 16 bis 18 Grad Celsius wahrgenommen werden. Angesichts einer solchen Vielfalt gehört auch hier einiges Erfahrungswissen dazu, einen jugendlichen von einem genussreifen Wein zu unterscheiden. Zeichen für überreife Weißweine sind nussartige Aromen in der Nase, Sherry-Geschmack - und Duft, breite Süße, fehlende Frische und spärliche Fruchtaromen; solche Weine haben keinen Biss, sie wirken flach, ohne zu animieren. 

Geschmacksstoffe, die in jungen Jahren zunächst vordergründig den ersten Eindruck bestimmen, treten im Laufe des Reifeprozesses allmählich in den Hintergrund und werden durch mildere und komplexere ersetzt. Bei jugendlichen Weinen werden vor allem Fruchtaromen wie Beeren, Pfirsich, Kirsche, Feige wahrgenommen, im fortgerückten Alter treten Blumendüfte – Rosen, Veilchen, Geranien, Thymian – in den Mittelpunkt, zwischen fünf und 25 Jahren werden die Aromen schon schwerer – geröstete Mandeln, Karamel, Honig, Lakritz, Kaffee, Tabak, Zimt, Teer – und sehr alte Weine führen die Nase des Weinliebhabers durch eine ganze Palette an herbstlichen Noten mit Trüffel oder Pilzdüften. 
Welche dieser Aromen sich letztlich besonders in den Vordergrund spielen, ist natürlich von der Traubensorte, der Herkunftsregion und der Bodenbeschaffenheit abhängig. Große Chardonnay-Weine aus Burgund oder Kalifornien können zum Beispiel mit ausgeprägten Honignoten aufwarten, Trüffel erschnüffelt man in älteren Merlot- oder auch Nebbiolo-Weinen und mit betörenden Veilchendüften verführen so manche Syrah-Weine von der Côtes du Rhône. 
Übrigens: Ein schaler, muffiger Geruch muss nicht mit absoluter Sicherheit auf einen fehlerhaften Naturkorken zurückgeführt werden. Ähnliche Gerüche, die aber im Glas rasch verfliegen, sind auf die abgestandene Luft zwischen Korken und Weinpegel zurückzuführen. Deshalb ist es bei manchen gereiften Gewächsen wichtig, das Weinglas einige Zeit vor dem Kosten stehen zu lassen; auch das Dekantieren kann in einem solchen Fall sinnvoll sein.
 

Voraussetzungen für ein langes Leben

Nicht jeder Wein erfüllt jene Reife-Erwartungen, die der Weinliebhaber an ihn stellt, nicht immer ist die Entwicklung seiner Potenziale zu einem harmonischen Gesamteindruck zufriedenstellend. Ob der Reifeschlummer zu einem harmonischen, in sich abgerundeten Gesamtbild beiträgt, und ob es sich lohnt, einen Wein über einen längeren Zeitraum einzulagern ist qualitätsentscheidend von einigen Faktoren abhängig, die eine nähere Beschäftigung mit den edlen Tropfen im Keller erfordert. 

Schon der Wetterverlauf während eines Jahrgangs und die Erntephase haben einen wesentlichen Einfluss auf die Langlebigkeit der Weine. Gewächse aus weniger guten Jahrgängen sollten demnach jung getrunken werden und eigenen sich auch weniger gut fürs Einlagern. Große Jahrgänge mit optimalem Witterungsverlauf wie 1982 in Bordeaux oder 1990 verfügen über ein entsprechendes Lagerpotenzial, das Weine auch nach 20 bis 30 Jahren noch zur Hochform auflaufen lässt. Achten sollte der Weinliebhaber allerdings darauf, dass die Jahrgänge von Region zu Region unterschiedlich ausfallen können. – Ein 92er Bordeaux ist eben nur als mittelprächtig einzuschätzen, wohingegen die weißen Burgunder in diesem Jahr Spitzenergebnisse zeitigten. Die Qualität des Lesegutes ist gleichermaßen abhängig von den Maßnahmen, die der Winzer im Vorfeld der Ernte durchführt: Ertragsbegrenzung führt beispielsweise zu höheren Extraktwerten und letztlich zu einer Konzentration der Inhaltsstoffe im Wein, was ihn zusätzlich alterungsbeständiger macht. Nicht vergessen werden sollte, dass Weine vor der Abfüllung bereits einen mehr oder weniger langen Reifeprozess durchgemacht hat. In vielen Anbaugebieten werden die Gewächse aufgrund rechtlicher Bestimmungen ohnehin erst nach einer bestimmten Reifephase auf den Markt gebracht. Spanische Reservas reifen nach ihrem Dornröschenschlaf im Fass noch auf der Flasche, bevor sie in den Handel kommen; Champagner reift Monate auf der Hefe, bevor er degorgiert wird. Der Zeitpunkt, wann ein Wein vom Fass abgezogen und in Flaschen gefüllt wird, kann einen Einfluss auf seine Lagerfähigkeit haben. Frühzeitig in Flaschen abgefüllte Weine sollten in der Regel auch früh getrunken werden, da sie meist über weniger Extrakt verfügen. 
Säure, Süße (Zucker), Gerbstoff und Alkohol, halten den Wein jung und frisch – einfache, milde Weine mit wenig Extrakt verlieren bei einer längeren Lagerung ihre Spritzigkeit, manchmal sogar ihren Sortencharakter. Säurehaltige Weißweine sind länger haltbar als säurearme. Aus diesem Grund bauen trockene Weine viel rascher ab, als fruchtige, die meist einen höheren natürlichen Säuregehalt haben. Weiße Gewächse mit einem Säuregehalt von sieben bis zehn g/l müssen dabei nicht unbedingt sauer schmecken; bereits ein geringer, im Wein verbliebener Anteil Restzucker kann den harmonischen Gesamteindruck wieder herstellen. 
Weine mit konzentrierter Süße (Edelsüße, Beeren- und Trockenbeerenauslesen) halten sich – ideale Lagerbedingungen vorausgesetzt – fast unbegrenzt. Je später der Trinkzeitpunkt liegen soll, desto höher sollte auch der Restzuckergehalt des Weines sein. Die großen Süßweine – Sauternes, Tokaj oder Dessertweine etwa aus Chenin Blanc – können Generationen überdauern, ohne an Qualität einzubüßen. Haltbarkeit ist also auch eine Frage der Traubensorte, wobei Herkunft und Lage eine mitentscheidende Rolle spielen; man vergleiche nur einmal einen Pinot Noir aus Burgund (Grand Cru-Lage) mit seinem rheinhessischen Pendant. Spät reifende Rebsorten mit kleinen, dickschaligen Beeren geben in guten Jahren extrem dichte Weine mit massiven Tanninen, die lange Flaschenlagerung erfordern, um Genussreife zu erlangen. So zeichnet sich zum Beispiel Cabernet Sauvignon durch einen hohen Gerbstoffgehalt aus und verfügt in der Regel über ein hohes Reifepotenzial, ähnlich wie Shiraz oder Riesling. 
Alterung wird gleichsam durch die Lagertemperatur beeinflusst: Je kühler beziehungsweise je erschütterungsfreier er ruht, desto langsamer vollzieht sich der Alterungsprozess; Lichtquellen sollte man seine eingelagerten Weinspezialitäten ebenso wenig aussetzen wie ein verlässlicher Korken für eine Langzeit- Lagerung Voraussetzung ist – ein Verschluss, der eine vorzeitige Oxidation des Weines verhindert! Auch die Flaschengrößen haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Lebensdauer eines Weines. Ein engagiertes Plädojer für die Großflasche würde den Rahmen dieses Beitrags allerdings sprengen.
 

Welche Weine können lange lagern?

Manche Weine entfalten sich langsamer als andere – das hängt unter anderem von den oben beschriebenen Faktoren ab. Die modernen Weine kommen oftmals schon gebändigt, das heißt mit gezügelten Tanninen und geringerer Säure, auf den Markt. Diese Tropfen erreichen nicht nur schneller ihre Trinkreife, sie sollten auch entsprechend bald nach dem Kauf den Gaumen erfreuen. Solche Leichtgewichtler, und dies drückt sich zumeist auch in einem niedrigeren Preisniveau aus, sollten (bei Weißweinen) nach einem Jahr beziehungsweise nach zwei Jahren (bei Rotweinen) getrunken werden. Beachten sollte man in diesem Zusammenhang unbedingt, dass die Weinlese in der südlichen Hemisphäre im Frühjahr stattfindet, so dass die Weine von dort etwa ein halbes Jahr älter sind als europäische oder kalifornische Gewächse aus dem selben Jahrgang. 

Je feiner strukturiert ein Wein ist, desto länger benötigt er, um seine volle Pracht zu entfalten. Ist er mit den entsprechenden Talenten ausgestattet – Säure, Tannine, genügend Extrakt – schwingt er sich auf dem Höhepunkt seiner Lebenskurve nicht nur zur Meisterschaft auf, er hält sich auch für eine längere Dauer auf einem solch angenehmen Trink-Niveau. Solche Überlebenskünstler überdauern zwischen fünf Jahren bis mehrere Jahrzehnte in der Flasche. Spitzenweine dieser Klasse – die zumeist auf Raritätenverkostungen oder -Versteigerungen angeboten werden – erreichen ein wahrhaft biblisches Alter. Selbst Gewächse, die vor 100 Jahren und mehr abgefüllt und perfekt gelagert wurden, zeigen heute noch Klasse. Mit der Höhe der Qualitätsstufe eines Weines steigt grundsätzlich auch sein Lagerpotenzial. Die breite Masse der leichtenTafel- und Qualitätsweine mit wenig Säuregehalt und geringem Extrakt sollte möglichst nach ein bis zwei Jahren getrunken werden. Qualitätsweine (auch Kabinett) mit entsprechend höherem Säuregehalt oder aber solche von spätreifenden Rebsorten erreichen ihren Genusshöhepunkt nach etwa zwei bis fünf, Spätlesen nach etwa drei bis zehn Jahren.
Eine goldene Regel beim Einlagern lautet: Wählen Sie stets einen Tropfen von bekannten Gütern, deren Anbaumethode und Qualitätsphilosophie sie kennen. Achten Sie auf einen guten Jahrgang! Jahrgangstabellen der Experten sind hierbei zwar eine Orientierung aber auch sie werden gelegentlich von ihren Urhebern revidiert, weil sich die Weine anders entwickelt haben, als ursprünglich prognostiziert. Natürlich gibt es auch unter den Weinexperten unterschiedliche Auffassungen über die Qualität eines Jahrgangs und dabei spielen Geschmacksfragen und »weinphilosophische« Grundsätze gewiss auch eine entscheidende Rolle. In jedem Fall empfiehlt es sich, die Tabellen in den einschlägigen Publikationen miteinander zu vergleichen. Sie geben zumindest bei der Frage, welche Jahrgänge einzulagern sind, eine durchaus verlässliche Richtschnur an die Hand. leu

 

Firne und edelfirne Weine

Firne: Alterston (Petrolnoten), der sich bei Weinen zeigt, die ihren Höhepunkt beim Reifungsprozess überschritten haben. Bei einem Wein, der sein sortentypisches Bukett durch Überlagerung verloren hat, tritt dieses typische Altersbukett (auch Lagerbukett genannt) auf.
Edelfirne: Bei Spitzenweinen war dieser Alterston (nach Brotkruste) vor ein, zwei Generationen sehr geschätzt, und ist unter Liebhabern reifer Gewächse auch heute noch beliebt. Keineswegs zu verwechseln mit überlagertem Wein.

 

Was das Füllniveau in der Flasche verrät

Die Höhe des Weinpegels gibt einen wichtigen Hinweis auf die »Befindlichkeit« gereifter Gewächse. Der Flüssigkeitsschwund ist hier eine Folge der natürlichen Verdunstung, die trotz bester Korken eintritt:


layout-journal-ii-41. high fill (Korkvoll): Das übliche Füllniveau bei jungen Weinen. Hervorragendes Signal für einen guten Korken bei Weinen über 10 Jahren.

2. into neck (Flaschenhalsniveau): Auch dies kann ein normales Füllniveau sein; sehr gut für jedes Alter; bei Weinen über zehn Jahre ein Hinweis auf vielversprechende Flascheninhalte.

3. top-shoulder (Hochschulterniveau): Bei 15 Jahre alten Bordeauxweinen und darüber hinaus ein normales Füllniveau, das solide Korken und gute Lagerbedingungen anzeigt.

4. upper-shoulder (oberes Schulterniveau): Anzeichen für geringen, natürlichen Schwund, denn auch Korken können im Alter an Geschmeidigkeit und Elastizität einbüßen, was zu Verdunstungen des Flascheninhalts führt. Bei guter Lagerung ergeben sich aber kaum Probleme mit der Qualität; akzeptabel bei Weinen über 20 Jahre, bei 50jährigen Kreszenzen ein ausgezeichnetes Füllniveau.

5. mid shoulder (mittleres Schulterniveau): Zeichen für Korkschwächen, die für den Inhalt nicht unbedingt Gutes verheißen lassen; bei 30- bis 40jährigen Weinen unüblich.

6. lower-mid-shoulder (niedriges bis mittleres Füllniveau): hohes Risiko, Oxidationsgefahr! Dieser Wein ist bereits jenseits von Gut und Böse.